Seminare – Workshops
Ältere arbeitlose Menschen werden in sinnlose Seminare gesteckt. Für diese Menschen gibt es zu wenig oder gar keine Arbeit im Sinne der Vollbeschäftigung. Unternehmen, die sich mit Seminaren und Workshops einen Raum geschaffen haben, um sich selbst eine Existenzberechtigung zu geben. Die Unternehmen, die nur vermitteln sollen und keine Weiterbildung ausüben dürfen, da sie selten was zu vermitteln haben.
Ich gehe davon aus, dass Jobcenter – Mitarbeiter teilweise selbst nicht wissen, wie solche Seminare geführt werden bzw. den Inhalt nicht kennen. Ein Seminar ist eine Lehr – und Lernveranstaltung, ebenso wie Workshops. Man sollte doch meinen, dass es entweder berufsbezogen oder allgemein sinnvoll ist.
Nach einem Seminar vor ca. 5 Jahren wurden die Teilnehmer (da waren auch jüngere Menschen dabei) getestet, wozu sie noch fähig sind. Von der Mathematik (Dreisatz), sprachliche Ausdrucksweise bis hin zu verschiedenen Konzentrationsübungen z.B. „Was gehört wohin“ (das hab ich mit meinen Kindern auch mal gespielt) könnte man mit viel gutem Willen noch einen Sinn finden. Unverschämt fand ich es von der Leitung, dass man eine stark sehbehinderte ältere Frau dazu zwang einen Test mitzumachen, den sie augenscheinlich gar nicht lesen konnte und die dann heulend den Raum verließ. Nach welchen Kriterien hatte man hier die „Arbeitslosen“ zusammen gewürfelt?
Ein guter Freund von mir (wegen schwerer Krankheit arbeitslos) hatte kurz vorher ein solches Eingliederungs- und Testseminar mitgemacht, wo man nur mit dem Kopf schütteln konnte. Unter anderem saß neben diesem Freund (er selbst ist Akademiker und war über 10 Jahre in Asien tätig, spricht fließend 3 Sprachen usw.) einen jungen Flüchtling aus Afghanistan; der kein Wort deutsch sprach oder verstand. Die Teilnehmer sollten sich mal „Word“ am Computer angucken. Der Freund übersetzte in fließendem English und zeigte mit viel Humor dem jungen Mann, was man so mit „Word“ machen kann.
Mein nächstes Seminar (vor 3 Jahren) lief von April bis Oktober, allerdings nur einmal pro Woche (was auch sinnvoll war, denn man hatte den „Arbeitslosen“ nicht viel zu bieten). Es wurde zuerst darauf hingewiesen, dass bei unerlaubter Ortsabwesenheit Leistungskürzungen (Sanktionen) erfolgen können. Jeder Teilnehmer erhielt einen schönen gelben Aktenordner, den man zu jeder Sitzung mitzubringen hatte. Den hab ich noch, ich muss ja sparen. Ansonsten befanden sich ein paar Blätter mit Auflistungen:– Inhaltsverzeichnis: Kompetenzen, persönliche Beratung, Bewerbungsaktivitäten und Projektmodulen – in dem Ordner. Immerhin waren wir eine Gruppe von ca. 18 – 20 arbeitslosen Teilnehmer, (teilweise mit Minijob)im Alter von 50 bis 65 – bis auf einen Einzigen (ein ewiger Student), kamen alle aus gelernten Berufen, einige durch Krankheit (Berufsverschleiß), Firmenentlassungen oder wegen Familie nicht mehr voll berufstätig gewesen. Wir bekamen noch einmal erklärt, wie man effektiv ein telefonische Bewerbung durchführen kann; „bitte im Stehen, nicht im Sitzen, wegen der Nervosität“.
Ein Märchen: „Der alte Mann und sein Pferd„ wurde vorgelesen, später diskutiert und dann in den Ordner gelegt. Ein wunderschöner alter schwarzer samtiger Zylinder (den hätte ich gerne mitgenommen) in dem beschriebene Karten lagen. Dieser wurde herumgereicht und jeder musste eine Karte ziehen und die Bedeutung des Wortes erklären: z.B. Motivation, Anpassungsfähigkeit, Organisieren, Leistungsfähigkeit usw. (hab ich 3o Jahre lang nur in der Gulaschsuppe gerührt?). Und für die Gesundheit durfte man im Kreis sitzend die körperliche Betätigung vornehmen, sich gegenseitig Bälle zuzuwerfen (Altersgruppe verfehlt?).
Assistierte Vermittlung: Es wurden Jobangebote aus dem Internet und aus Zeitungen gesammelt an die Arbeitslosen weitergegeben (die kannten wir schon aus eigener Recherche). Diese Arbeitsangebote waren nicht in den gelernten Berufen, sondern teilweise in total fremden Berufen oder schon gar nicht für diese Altersgruppe. Tenor an eine ehemalige Büroangestellte: „Sie können es ja mal als Maschinenführer versuchen“. Meine Bitte, Sie mögen doch eine Betriebsbesichtigung organisieren, was sowohl für einen evtl. Arbeitgeber interessant sein könnte als auch für uns, fand zwar Anklang, wurde aber nie durchgeführt. Vor lauter Langeweile habe ich immerhin meine alten Stenografiekenntnisse aufgefrischt und mir so meine Notizen gemacht. Ich habe die „Dozentin“ nach der Erfolgsquote gefragt. Sie gestand zögerlich, dass sie bei drei Seminaren doch mal einen Teilnehmer vermitteln konnten.
Ich empfinde diese „Seminare“ als nutzlos und es ist rausgeworfenes Geld, da es sich weder um Umschulungs- noch um echte Wiedereingliederungs- noch um berufsbezogene Weiterbildungsmaßnahmen handelt.
Ich selbst bin in eine andere Stadt gezogen und habe von zwei Frauen gehört, die mit mir in dem „Seminar“ waren, dass sie ein Jahr später wieder zur gleichen Maßnahme gezwungen wurden. Wobei wiederum nichts herum kam.
Eine andere Strategie ist es übrigens gut beleibte ältere gestandene Hausfrauen, in Kochkurse zu stecken, unter dem Aspekt der gesunden Ernährung. Auf meine Nachfrage im Jobcenter erklärte mir eine Mitarbeiterin im Jobcenter, sie hätten die Anweisungen bekommen haben, weil dickere Menschen nicht so gut vermittelbar sind (ich habe auch zugenommen, einen Kochkurs bei einem 3 Sterne Koch würde ich nicht abschlagen).
Und wenn man denn das Glück haben sollte:
Arbeitgeber, die ältere Arbeitnehmer einstellen und dafür Fördergelder über einen gewissen Zeitraum aus öffentlichen Mitteln erhalten und den Arbeitnehmer später wieder entlassen, so hat der Arbeitnehmer in der Zeit, wo er Fördergelder erhalten hat, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwirkt. Er landet wieder in Hartz IV.
Unmerkliche viele kleine Veränderungen, die den Sozialstaat unterwandern, sind eingeschlichen. Abbau des Sozialsystems nenne ich das. Außerdem ist es augenscheinlich, dass es für viele Menschen keine Arbeitsplätze gibt, geschweige denn altersgerechte Arbeitsplätze. Rechtzeitige und vernünftige Weiterbildungen oder Umschulungen wurden in den vergangenen 20 Jahren viel zu halbherzig und unüberlegt angegangen. Ebenso hier habe ich meine persönlichen Erfahrungen gesammelt, die aber nun zu weit führen würden. Es steckt Strategie dahinter. Minijobs (früher mal 300 DM oder so) waren als Hinzuverdienst gedacht und nicht als Haupteinnahmequelle.
Selbst bin ich 60 Jahre, geschieden, Mutter von vier erwachsenen Kindern, gelernte Bürofachkraft, Kenntnisse in den gängigen Programmen, immer noch 240 Anschläge, war selbstständig und als die Kinder klein waren, als Putzfrau, Tagesmutter, Aushilfskraft in meinem Leben tätig. Habe seit ca. 5 Jahren einen Minijob. Vereinzelte Bewerbungen, auf Angebote, die ich hätte ausüben können, scheiterten im Vorfeld an meinem Alter, ebenso an dem Unwillen einen Versuch von Seiten eines Arbeitgebers zu starten. Es gibt immer weniger ordentlich bezahlte Arbeit für einfache Menschen und somit die Gefahr von sozialen Unruhen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Ich bin für ein garantiertes Existenzeinkommen. Ich bin nicht davon überzeugt, dass der einzelne Mensch dann keine Lust mehr auf eine sinnvoll, vernünftig bezahlte Arbeit mehr hat.
Bild: clipdealer